Vorweg bemerkt: Ich lebe und wohne gern in Freilassing; meine Bemerkungen zu der Stadt sind wohlwollend gemeint. Ich schlendere mit offenen Augen durch die Welt, habe Spaß am Fotografieren, Recherchieren und kreativen Schreiben (und habe früher darin jahrzehntelang Erfahrung gehabt; das hier ist quasi ein Neuanfang nach längerer Pause, eine Fortsetzung, um das Handwerk nicht ganz zu verlernen ... 😀), und sehe meine Aufgabe jetzt nicht darin, die Ortsgeschichte aufzuarbeiten oder gar ein "Experte" darin zu werden – mitnichten, denn meine Arbeitsweise war seit jeher, nicht Antworten zu WISSEN, sondern zu FINDEN. Vielmehr möchte ich anderen und vor allem jungen Menschen Anstöße geben und ihr Interesse wecken und bin hier online aus Freude am Recherchieren, kreativem Schreiben und Fotografieren.
Vorwort (oder was mir an Freilassing gefällt). Freilassing – eine entschleunigte, beschauliche Wohn- und oberbayerische Einkaufsstadt an der deutsch-österreichischen Landesgrenze.
Die über 17.000 Einwohner Freilassings bestehen aus alteingesessenen Bayern und "Zugereisten" wie mich (in West-Berlin groß geworden; habe die längste Zeit, von 1972 bis 2008, in Wiesbaden und Selters/Taunus verbracht, also bei den Hessen). Zusammen mit vielen Österreichern (jeder achte Freilassinger), Schwaben und Menschen unterschiedlicher Nationen, die sich in der Beschaulichkeit der oberbayerischen Kleinstadt ebenso wohlfühlen.*
* Zur Bevölkerungsstruktur: 57 Prozent der Bewohner sind "Deutsche ohne Migrationshintergrund" (9.915 von insgesamt 17.368). Es folgen auf Platz 2 Österreicher mit 13,7 Prozent (2.384) und auf Platz 3 EU-Osteuropäer mit 8 Prozent (1.395), vor allem Rumänen, Kroaten oder Polen. Dazu kommen Einwohner aus vielen anderen Nationen. Flüchtlinge spielen mit einem Anteil von 2,7 Prozent (467 Personen) im Vergleich zur Größe der Stadt keine große Rolle [1].
Mir gefällt, dass ich als Freilassinger an der Stadtgrenze der Weltkulturerbestadt Salzburg wohne. (Mit einem internationalen Airport, den ich allerdings bisher erst einmal für einen Kurztripp nach Mallorca genutzt habe, und dessen Flugzeuge ab und zu geräuschvoll über unser Haus fliegen – kein Problem für mich als ehemaligen West-Berliner, der sowas schon als Kind kannte.)
Am Zusammenfluss der Grenzflüsse Saalach und Salzach am "Saalachspitz". Mit schönen Uferwegen an beiden Flüssen in Richtung Norden und Süden. Nur wenige Kilometer weiter liegt das mondäne traditionsreiche Kurbad Bad Reichenhall mit einladendem "Königlichem Kurgarten", den Besucher als Kurpark wahrnehmen und schätzen.
Am Schnittpunkt von Eisenbahnlinien gelegen (Hauptstrecke München – Salzburg – Wien), mit Autobahn und wie erwähnt Airport in der Nähe, ist Freilassing in Oberbayern verkehrsgünstig angebunden und das in reizvoller Lage im Alpenvorland (Högl). Mit freien Blicken zum prachtvollen Staufenmassiv, zur barbusigen "Schlafenden Hexe" (Lattengebirge) und zum geheimnisvollen Untersberg sowie zum Gaisberg, dem Hausberg unserer liebenswerten Salzburger Nachbarn, oder ebenso vielfach gut sichtbar Maria Plain, dem dortigen Wallfahrtsort. In der Ferne schneebedeckte Gipfel weiterer Berge in Deutschland und Österreich! Sehr schön hier.
Kein Wunder, dass ich meine Wahlheimat Freilassing (seit 2011) und die Umgebung schätzen und lieben gelernt habe und manches beim "Schlendern" mit offenen Augen Gesehene und Erlebte hier in meinem persönlichen Blog, dem "NotizBLOG", zum Gegenstand von Betrachtungen und Plaudereien machen möchte – in Fortsetzungen, nach und nach. Viele Fotos habe ich schon. (Habe aber nicht vor, einen Reise- oder Wanderführer zu verfassen. 😊)
Einführung (oder über Identität, Geschichte und mehr). Bei der Stadterhebung Freilassings 1954 (vordem Gemeinde, die bis 1923 den Namen ihres jetzigen Ortsteils Salzburghofen trug) wurde im Rahmen der Festreden nicht ohne Grund die Bedeutung von "Römer, Bauer, Eisenbahner und Bürger" als "vier Vertreter aus der Ortsgeschichte" für die neue Stadt hervorgehoben, was historisch begründet und nicht in Vergessenheit geraten sollte (Enzinger 2003, S. 200; Friedl 1974, S. 90).
Freilassing und einige seiner Ortsteile, wie Salzburghofen (Königshof, mindestens seit 885), haben seit rund tausend Jahren vor allem bäuerliche Wurzeln ("Lehm"). Davon zeugen bislang noch bewirtschaftete Felder mitten in der Stadt (zum Beispiel am verlängerten Fürstenweg), die ich sehen kann, wenn ich aus dem Fenster schaue. Und die letzten intakten Bauernhäuser und Ställe. Das Landwirtschaftliche prägt bis heute, neben anderen Merkmalen, die Identität Freilassings, was – wie ich nur hoffen kann – auch von den neuen Generationen erlebt und als etwas Besonderes betrachtet (werden) wird.
Die Identität der stetig wachsenden Gemeinde Salzburghofen und späteren Stadt Freilassing prägten neben den alteingesessenen Bauern die zugezogenen Zollbeamten (Grenzort seit 1816), und ab 1860 dank neuer Migrationswellen die Eisenbahner, Unternehmer, Kaufleute, Handwerker und Arbeiter. (Dazu kamen ab 1945, wie an anderen Orten in unserer Region, Heimatvertriebene und Flüchtlinge.)
Der Ort ist also erst in den letzten 150 Jahren durch Migration zu dem geworden, was er um 1900 geworden und bis heute ist. Dabei bleibt scheinbar eine soziale Gruppe, mit Ausnahmen, außen vor – die Akademiker. (Zu den Ausnahmen zählt z.B. Dr. Georg Vogl, der Freilassinger Chefarzt und Bürgermeister, an den eine Tafel an der Diakonie, Schulstraße 6/8 erinnert. Ebenso der Namengeber des Soergel-Parks und andere.)
Die "Volksbildung" (Lesen und Schreiben) in Freilassing war zunächst ausschließlich religiös geprägt, denn sie lag am Anfang vor über 300 Jahren in den Händen von Kirchenleuten, dann bei Augustinermönchen und später auch Nonnen, die die Volksfrömmigkeit zu fördern suchten, was sich übrigens vom Konzept des Benediktinerordens unterschied, dem Bischof Rupertus und seine (teilweise hochgbildeten) Nachfolger in Salzburg angehörten, die neben dem Glauben gleichzeitig Bildung, Kunst und Wissenschaft schätzten und förderten. (So entwickelten sich Menschen in Salzburghofen/Freilassing und Salzburg, soweit sie unter dem Einfluß von Augustinern oder Benediktinern standen, offenbar in zwei unterschiedlichen Bildungswelten und konnten sich durchaus jeweils andere Sichtweisen auf das Leben und die Welt aneignen.)*
* Die Augustiner beanspruchten und verteidigten die Einführung der "Volksschule" in Freilassing als ihre unbestreitbare Domäne – bis die Zeit sie überholte (Schulen). Nach Kriegsende 1945 lehnte der Gemeinderat Freilassings quasi im Geiste der alten Tradition die Gründung einer "höheren Schule" (Mittlere Reife) für Freilassings Jugend kategorisch ab mit der einseitigen Begründung: "Es besteht kein Bedürfnis für eine Massenbildung von Menschen, die in der Produktion nur eine Belastung sind. Wir brauchen Arbeitskräfte auf der ganzen Linie für das Handwerk, wofür eine Berufsschule vollkommen den Zweck erfüllt" (Enzinger 2003, S. 436). So steht bislang noch heute die Berufsschule in Freilassing als ein Drehkreuz für junge Menschen im Mittelpunkt ihres Bildungsweges, wenn sie vor Ort bleiben wollen oder müssen (soweit ich das gegenwärtig verstehe).
Seit 1860 "verknoteten" sich bei Freilassing neue Eisenbahnlinien ("Eisen"), so mit der Strecke München – Salzburg – Wien, die zur Anbindung der Gemeinde und unserem Nachbarn Salzburg an den Rest der Welt führte, was für beide Orte den Beginn eines wirtschaftlichen Aufschwungs markierte und auch den Fremdenverkehr in der gesamten Region beflügelte. Ähnlich profitierten andere Ortschaften entlang der Strecke von der Eisenbahn. (So hatte sich angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs der jahrhundertealten Salinen und des Salzhandels Berchtesgaden rechtzeitig auf den Fremdenverkehr mit Natur- und Bergtourismus und Bad Reichenhall auf den Kurbetrieb umgestellt, die Stadt Laufen an der Salzach zum Beispiel dagegen verharrte landwirtschaftlich geprägt und erlebte trotz der Eisenbahn, die sogar zum Niedergang der Salzschifffahrt beitrug, keinen nennenswerten wirtschaftlichen Boom.)
Ab 1900 gab es für Salzburghofen/Freilassing durch die Eisenbahn einen weiteren Wirtschaftsschub, als es zur Errichtung von Betriebswerkstätten (Bw) für Dampf- und später für Elektroloks kam, was unserer Gemeinde 1910 unter anderem Wasserleitungen und Hydranten brachte.
Das nostalgische Bahnbetriebswerk mit Rundlokschuppen und andere Bahnbetriebsgebäude blieben beim verheerenden Bombenangriff der alliierten Piloten am 25. April 1945 auf den Bahnhof und das Heereszeugamt fast unbeschädigt. So kann man sie noch heute vor Ort im Eisenbahnmuseum "Lokwelt Freilassing – Deutsches Museum" bewundern (eröffnet 2006).
Anders erging es dabei dem Bahnhof selbst und dem Heereszeugamt, das man nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 statt in Salzburg, wie ursprünglich geplant, nunmehr in Freilassing von Klebing bis Stetten baute – was fatale Folgen für die Freilassinger haben sollte (Enzinger 2003, S. 249): Schwere Verwüstungen in der Nähe der zerstörten Zielobjekte Bahnhof und Heeerszeugamt am 25. April 1945 und damit Tod für eine Anzahl Soldaten, Zivilisten und Menschen unter Zwangsarbeit. (Ähnlich wie überall in Hitler-Deutschland, wo die Alliierten Vernichtungsangriffe gegen Einrichtungen wie die Heereszeugämter und ihre Bahnhöfe flogen, legten sie ebenso Bahnhöfe entlang der Strecke München – Salzburg, zum Beispiel das Bahnhofsgelände in Rosenheim, in Schutt und Asche.)
Gleichzeitig brachte der Aufschwung damals durch die Entstehung einer Arbeiterschicht soziale und lokalpolitische Umwälzungen und Freilassing den sozialdemokratischen Bürgermeister Karl Rittmann (1919 – 1933, 1945 – 1947), den die Nationalsozialisten ins KZ Dachau verbrachten und später wieder freiließen (Enzinger 2003, S. 225; vgl. zu den Opfern des Nationalsozialismus "Erinnerungskultur/Gedenken" ).
Oben sieht man einen morgendlichen Schnappschuss an einem sommerheißen Augusttag Rupertusstraße Ecke Augustinerstraße, der das bisher Beschriebene visuell vertiefen kann. Denn das Foto macht einen für Freilassing charakteristischen "Mehrklang" sichtbar, so finde ich, vermittelt einige der schönen und herausragenden Merkmale ihrer Identität als Stadt neben Industrie, Handel und Bürgertum:
- die Rupertuskirche im Hintergrund und Zentrum der Stadt – hier Symbol für katholische Traditionen wie in Salzburg ("Kreuz"); der heilig geprochene Rupertus (siehe unten) ist Landespatron vom "Rupertiwinkel" und Flachgau (Österreich), die früher politisch und kulturell zusammengehörten.
- ein Feld (fast) im Mittelgrund – steht für Landwirtschaft/Bauernhöfe ("Lehm"), die jahrhundertealten bäuerlichen Wurzeln des Ortes (Weberbauergasse, Ludwig-Zeller-Straße), was ich für etwas besonderes in einer Stadt halte. Etwas, worauf man stolz sein kann. Ein bewahrenswertes Erbe, wie ich finde, das Freilassingern in der Moderne ein Stück Heimatgefühl neben anderen herausragenden Merkmalen (wie ihre Industrie- und rund tausendjährige Ortsgeschichte, frilaz) vermitteln kann.
- und im Vordergrund ein typisches Eisenbahn-Utensil der Stadt der Eisenbahn, auch manchmal "Eisenbahnerstadt" genannt ("Eisen", ab 1860, nach 1900 mit Bahnbetriebswerk neben Salzburg) – die Eisenbahner (neben Zoll, Grenzpolizei und anderen) machen einen Teil der Identität der Stadt an der deutsch-österreichischen Grenze (seit 1816) aus.
Links im obigen Bild geht's übrigens an den ehemaligen "Eisenbahnerhäusern" die Rupertusstraße entlang zum Eisenbahnmuseum "Lokwelt". (Nicht zu verwechseln mit der "Eisenbahnkolonie", die zwischen 1908 und 1920 entstand und gegenüber der Rupertuskirche in der Münchener Straße lag; vgl. Huber 1982, Nr. 46.) Und noch etwas: Die "Augustinerstraße" rechts im Foto erinnert ...
- an die Augustiner – also jetzt nicht an die bayerische Bierbrautradition, sondern an die Eremiten vor Ort (1601–1773) im Alten Pfarrhof in Salzburghofen (historische Baujuwelen der Stadt). Die Augustiner prägten auf ihre Art die "Volksbildung" in Freilassing durch die Einführung einer Schule (die einer anderen Zielsetzung als die der Benediktiner Salzburgs folgte, siehe Bemerkung oben; Schulen). Dem Orden hatte übrigens auch einst der Reformator Martin Luther angehört, und über die evangelisch-lutherische Kreuzkirche wird es hier ebenso einen Artikel geben. Das bemerkenswerte lutherische Dreiklang-Gebäude-Ensemble mit eigenem Symbolwert liegt an der Schulstraße (vgl. Zentralschulhaus, Grundschule) Ecke Bräuhausstraße ("Bier") und der, natürlich – Martin-Luther-Straße!
- Der andere Straßenname gedenkt Rupertus, dem in diesem Landstrich allgegenwärtigen innovativen Missionar und ersten Bischof von Salzburg. Vordem war er Bischof in Worms. Der bayerischer Herzog Theodo lud ihn 696 ein (oder zwei Jahrzehnte später, wie man annimmt), in unserem Landstrich beiderseits von Salzach und Saalach zu wirken. Er erhielt wichtige Anteile an der Saline in Reichenhall, worauf offenbar unter anderem sein Bischofssitz den Namen "Salzburg" erhielt. Ohne neben Reichenhall das nicht weniger weit entfernte Hallein (Österreich) vernachlässigen zu wollen, wo schon die Kelten Steinsalz abbauten, was dann durch das bessere Meersalz der Römer (Romanen) aus der Adria überflügelt wurde.
Mit Bischof Rupertus Ankunft in Salzburg beginnt die Geschichtsschreibung in unserer Region, weil es von da an schriftliche Zeugnisse gibt. "Was man schreibt, das bleibt!" Dr. Fritz Moosleitner, der bedeutende österreichische Prähistoriker und ehemalige Landesarchäologe von Salzburg (1985 bis 2001) stellt fest:
"Mit der Ankunft des hl. Rupertus in Salzburg im Jahr 696 setzt eine neue Entwicklung von großer geschichtlicher Tragweite ein. Der Historiker kann sich ab diesem Zeitpunkt auf eine Vielzahl schriftlicher Überlieferungen stützen. Der Archäologie fällt für die nachfolgenden Zeitstufen die Aufgabe zu, – z.B. durch Kirchengrabungen oder Stadtkernforschungen – manche Detailprobleme zu lösen, für die keine schriftlichen Quellen vorliegen" [2].
Die wenigen vorhandenen Erdfunde aus Freilassing aus römischer, bajuwarischer und frühmittelalterlicher Vergangenheit sind, was vielfach an anderen Orten ebenso der Fall ist, Zufallsfunde (soweit ich das gegenwärtig verstehe, abgesehen jetzt von der Notgrabung am bajuwarischen Gräberfeld und stichprobenartigen Grabungen in Salzburghofen), beispielsweise bei Bau- und Feldarbeiten, und schlummern in Museen oder sind gar "verschwunden" bzw. verschollen, wie Heimatforscher Willi Huber einst beklagte [3].
Doch die Geschichte von Römern, wie dem Romanen Matulus und von Bajuwaren (was die Bedeutung "Männer aus dem Lande Baia" hat und mit Böhmen, dem antiken
Boiohaemum, gleichgesetzt wird) und anderen nachgewiesenen "Ureinwohnern" auf heutigem Ortsgebiet, so aus dem frühen Mittelalter (Engilrammus von frilaz), könnte ebenfalls sinnstiftend im Sinne von "Heimat" für die Identität einer Stadt wie Freilassing sein.
Ist jemals systematisch nach dem Landgut oder Hof von Engilrammus von frilaz (auf frilaz geht immerhin der Ortsname Freilassing zurück, der "Freigelassene" bedeutet und nichts anderes, hat also mit "freigelassener Weide", wie man vielfach sogar amtlich lesen kann, wahrscheinlich nichts zu tun; vgl. Enzinger 2003, S. 196), der offenbar eine bedeutsame gesellschaftliche Stellung innehatte, kein Landwirt war, gesucht worden? Offensichtlich weder quellenkritisch noch archäologisch – Engilram bleibt bislang im Dunkeln geheimnisvoll verborgen, auch seine Tochter, die er laut einer alten Urkunde (1125 oder viel früher, da es sich um eine Abschrift handelt) freigekauft hat und eine "Freigelassene" wurde.
Mich würde nicht wundern, wenn zwischen dem Freikauf der Tochter des Engilram und dem Ortsnamen frilaz auf Grund einer sprachlich rückbezüglichen Funktion vielleicht eine direkte Verbindung besteht, die heute nicht (mehr?) wahrgenommen wird. (Sollte das Wappen Freilassing demnach kein Pferd, sondern vielleicht symbolträchtig eine aus einer Abhängigkeit freigekaufte, damit "freigelasene" Frau aus ferner Vergangenheit schmücken? 😎 Was dagegen sprechen könnte: Die Dame lebte nach dem Freikauf nicht in frilaz, sondern in einem Kloster in Salzburg ... Immerhin springt jedenfalls der Zusammenhang zwischen "freigelassen" und "Freilassing" ins Auge, was sicherlich nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist.) In seiner voluminösen fabelhaften Stadtchronik von 2003, Seite 41 gibt Kurt Enzinger Engilram im Kontext von frilaz Raum und bricht dann weiterführende Forschungen ab, offenbar aus Mangel an Quellen. Wie sieht es damit heute aus?
Das gleiche Schicksal hat bislang den Römer (Romanen) Matulus ereilt, quasi den ersten namentlich bekannten Bewohner auf heutigem Freilassinger Stadtgebiet (namenlose "Freilassinger" Bewohner aus Steinzeit, Kelten- und Bajuwarenzeit gibt es dergleichen mehr), das einst zum Verwaltungsgebiet (offensichtlich nicht Stadtgebiet) des damaligen römischen "Salzburg" oder "Iuvavum" gehörte. Nach dem in der Gegenwart zumindest eine Straße in Freilassing benannt ist, die Matulusstraße. Mehr darüber auf meiner Spurensuche nach dem alten Römer und seinem Gutshof in dem Artikel "Matulus lässt unbekannterweise grüßen – die Matulusstraße in Freilassing" (in Arbeit).
Mir scheint, man scheute einst in Freilassing Kosten und Mühe, die systematische Expertensuche nach wertvollen römischen, bajuwarischen und frühmittelalterlichen Bodenzeugnissen im Ortsgebiet Freilassing von Historikern und Archäologen allein schon auf den als offizielle Bodendenkmäler ausgezeichneten Fundorten durchführen zu lassen (Q101). Oder man erkannte nicht recht die werbewirksame und gleichwohl ehrenvolle Bedeutung von historischen Wurzeln und Gebäuden für die Identität und das Image einer aufstrebenden modernen Stadt sowie ihre Anziehungskraft auf die Welt. Oder man übersah schlichtweg diesen Teil der frühen Ortsgeschichte, widmete sich nach 1900 wirtschaftlich dem "Fortschritt" und nach 1945 dem Wiederaufbau und "Wirtschaftswunder" sowie geschichtlich der Eisenbahn, die ein Teilaspekt der Ortsgeschichte Freilassings ist.
Wie zu Recht die Eisenbahngeschichte, die 1860 begann, so gehören ebenso andere Ereignisse und Epochen lange vor der Stadterhebung 1954 zur Ortsgeschichte. Beispielsweise durch Napoleons Kriege und andere Kriege. Der erste "Franzosenkrieg" mit der großen, heute "vergessenen" Schlacht am Walserfeld mit rund 20.000 Opfern (Tote, Verwundete und Vermisste) im Jahre 1800 fand zwar zwischen dem "Saalacheck" (die Mündung der Saalach in die Salzach liegt gegenüber dem Ufer von Freilassing-Salzburghofen) und Wals/Siezenheim auf der österreichischen Seite der Saalach statt – dennoch war das heutige Freilassinger Gebiet mit seinem Ortsteil Salzburghofen und der damaligen alten Brücke über die Saalch durch den "Franzosenkrieg" betroffen. Französische Truppen marschierten auf Freilassinger Seite am Ufer der Saalach entlang, bis es ihnen dann am Ufer von Hammerau (Ainring) die Flußüberquerung gelang, weil die Österreicher dort die Zerstörung eines Steges, den sogenannten "Kohlensteg", übersehen hatten. Freilassing war nicht nur durch die Zerstörung der strategisch wichtigen alten Saalachbrücke vom Krieg unmittelbar betroffen. Salzburghofen war wie andere Dörfer und Höfe in der Umgebung durch plündernde Franzosen betroffen und spielte eine Rolle im Kriegsberichct durch die Einquartierung einer bedeutsamen Persönlichkeit der französischen Armee, worauf ein Artikel noch eingehen wird.
Das Jahr 1819 – Freilassing, seit 1816 Grenzort zu Österreich, wird zum Sitz des Oberzollamts erkoren – nicht Salzburghofen. Was man durchaus als den eigentlichen geschichtlichen Wendepunkt für den Weiler Freilassing bezeichnen kann! Im ersten Weltkrieg war an der Saalach in Freilassing
der einzige offene Grenzübergang für Oberbayern.
Der deutsch-französische Krieg 1870/1871 durch die damaligen Kriegsteilnehmer aus Salzburghofen/Freilassing, der die Gründung des Deutschen Reiches beschleunigte und woran die "Friedenseiche 1871" in der Fußgängerzone Freilassing bis heute erinnern soll.
Der erste Weltkrieg (1914 bis 1918 als Wendepunkt der Weltgeschichte) und der vernichtende zweite Weltkrieg (1939 bis 1945), ausgelöst durch den Größen- und Rassenwahn des Nationalsozialismus und seines An-Führers, dem Diktator Adolf Hitler, der von 1933 bis 1945 in unserer Nähe im Dorf Obersalzberg (Gemeinde Salzberg) bei Berchtesgaden eine Residenz betrieb und auf seinem "Berghof" und in Bischofswiesen als seinem zweiten Regierungssitz folgenschwere weltpolitische und menschenverachtende Entscheidungen traf, die bis heute schmerzlich nachwirken.
Wobei man letzteres, den Nationalsozialismus, zwar dem kollektiven Gedächtnis eines Ortes scheinbar "entschwinden" lassen kann, doch dieser Teil der Ortsgeschichte wird immer unumkehrbar dazu gehören und auf eine befreiende Aufarbeitung warten. Viele Gemeinden und Städte in Bayern, Deutschland und Österreich haben die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus durch sachkundige oder engagierte Forschende erlaubt, gefördert und sich in analoge oder digitale Veröffentlichungen niederschlagen lassen. Das schreibe ich jetzt als Ansporn vor allem für junge Menschen, aber auch für andere, die hierin eine Aufgabe sehen. Dafür können und sollen meine Bemerkungen und Artikel zu Geschichtsthemen unter "NotizBLOG" und "Ortsgeschichte" sowie "Erinnerungskultur/Gedenken" als Anstoß dienen!
Also ganz schön geschichtsträchtig das Ganze hier! Worauf diese Seiten durch diverse Beiträge noch weiter eingehen werden und auf anderes mehr, was mir beim "Stadtschlendern" in Freilassing aufgefallen ist oder aus historischer Sicht bemerkenswert erscheint. Finde ich jedenfalls interessant ... 😎
Dann viel Spaß oder Interesse beim Lesen oder Stöbern auf den bereits vorhandenen und künftigen Seiten ... (Bitte um eine Weile Geduld, da viele Seiten und Rubriken noch in Arbeit oder Planung sind. Zudem meine gesundheitliche Situation leider zu einem Stillstand fast aller Seiten hier geführt hat, wie auf den aktuellen Startseiten dieser Homepage erwähnt.)
Stephan Wrobel, Freilassing/Oberbayern, an der Stadtgrenze von Salzburg
Schlußwort (oder ein PS über Heimatgefühl). Das Wort "Heimat" hat meiner Meinung nach bis heute nichts an seinem Zauber verloren. "Heimat" schafft eine Identität mit bereicherndem Lokalkolorit, auch für solche mit einer "Wahlheimat", Zugereiste also, wie mich. Eine Identität, die für Menschen jeden Alters auch von heute ein Stück Lebensqualität bedeuten kann. Und die für ein sinnvolles und zufriedenes Leben einfach gut ist, finde ich.
"Heimat" ist nicht zu verwechseln mit einem stumpfen Lokalpatriotismus oder gar ausgrenzenden Nationalismus, sondern als Europäer und Weltbürger gedacht, die Andersdenkende oder woanders Geborene respektieren, sie nicht ausgrenzen oder bekämpfen, nicht auf sie herabblicken, gleichzeitig jedoch eine feste Haltung gegenüber Extremen und Radikalen einnehmen. Hass hassen – keine Toleranz gegenüber Intoleranz, sozusagen. Keine Selbstjustiz.*
* Der Hass auf Menschen anderer Herkunft, Nationalität, Gesinnung, Religion, politischer Meinung oder Kultur hat in der Vergangenheit zu Leid und Tod von Millionen Menschen geführt, was ein widerlicher und abschreckender Vorgang ist (man denke nur an den desaströsen Größen- und Rassenwahn der Nationalsozialisten, der Deutschland Vernichtung und große Verluste brachte), der keineswegs menschlich und gottgefällig sein kann "(../../erinnerungskultur/index.html>Erinnerungskultur/Gedenken)". Und der mit keiner Theorie, sei es die Evolutionstheorie oder dem Sieg des Stärkeren gegenüber dem Schwächeren, entschuldigt oder begründet werden kann. Krieg und Hass zerstören, lassen Leben aushauchen. Leben und Wachstum brauchen friedliche und nährende Bedingungen, um zu gedeihen, das beginnt schon im Mutterleib, was damit bewiesen ist, und was jeder Mensch überall auf der Welt nachvollziehen kann. Die Menschheit hat sich von Anfang an ihres Daseins auf diesem Planeten durch Kommunikation, Kooperation und Toleranz in Frieden ausbreiten können. Lokale Isolation führte Menschen in grauer Vorzeit dagegen nachweislich ins Nichts, und sie starben in der Folge in ihrer Region aus.
Die meisten Freilassing-Artikel "Stadtschlendern" sind offline, bedingt durch meine gegenwärtige persönliche Situation. Die Bildergalerie mit Diashow (Titelbilder) ist online.
Themenübersicht
Stadtschlendern (nach Salzburghofen)
Mozart hätt's vielleicht gefreut – der sommerbunte Mozartplatz in Freilassing
Freilassing – die Hafnerkapelle am Kreuzweg
Kreuzweg mit Panoramablick
Matulus lässt unbekannterweise grüßen –
die Matulusstraße in Freilassing
Die Villa der Heilingbrunner Schwestern in Freilassing
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Stephan Wrobel: Freilassings Identität – Lehm und Eisen(bahn) und vieles mehr. Online publiziert im "NotizBLOG", Mein Stadt- und Naturschlendern (persönlicher Blog), URL: https://www.stephan-wrobel.de/notizblog/freilassing/start-freilassing.htm
(abgerufen ).
Kurzlink: www.freilassing.stephan-wrobel.de (Link wird von Google nicht indexiert)